Cripta Djan, einer der Hauptprotagonisten des Films Pixadores und gleichzeitig ein namhafter Aktivist der Pixação Bewegung hat im Jahr 2018 das nachfolgende Manifest verfasst. Unser Freund Hiram hat den Text übersetzt und versucht die in Teilen sehr bildhafte und philosophische Sprache ins Deutsche zu übertragen. Dies ist ihm aus unserer Sicht sehr gut gelungen.
Wir finden es wichtig, Djan und seine Perspektive hier zu dokumentieren und sichtbar zu machen; auch um zu verstehen, wie die Pixação Bewegung sich politisch verortet und sich und andere Akteure wahrnimmt. Djans Manifest unterstreicht die politische Kraft und auch Wut, die Pixação in sich trägt.
Den Rest lest gern selber:
„Der Ungehorsam von Pixação stellt weiterhin die üblichen Grenzen zwischen Kunst und Politik, öffentlich und privat, gut und böse, hässlich und schön, profan und heilig in Frage. In den Favelas wird Pixo als Ornament, als ästhetische und visuelle Identität der Menschen vor Ort betrachtet. Pixo ist in der Tat ein populärer Ausdruck des Widerstands, der Originalität und der Kreativität der Marginalisierten, deren Stimmen nicht gehört werden.
In der bürgerliche Stadt, ist Pixação nicht wilkommen, aber der Pixo macht sich zunutze, was ihr zusteht. Im Stadtzentrum wird es als Zerstörung angesehen, aber für uns ist es die (Wieder-)Aneignung des urbanen Raumes, der uns allen gehört. Das ist symbolische Macht und unmittelbare Besetzung. Eine Kryptographie der Machtverhältnisse zwischen Unterdrückern und Unterdrückten, letzten sogar die Würde der Zugehörigkeit zur Gesellschaft abgesprochen wird.
Wie können wir auf Gerechtigkeit hoffen, wenn es keine Chancengleichheit gibt? Ohne Chancengleichheit gibt es keine Demokratie. Wir werden von bürgerlichen (kriminellen) Organisationen regiert, denen es nur um Profit und Reichtum geht. Das ist die Kapitalismuskult der Gier. Hier sind ein Auto oder eine Fassade mehr wert als das Leben der Armen und Elenden. Die Reichen haben den Begriff der Freiheit umgestaltet und in ein sehr teures Produkt verwandelt, dass das Privileg einer Minderheit ist.
Gewalt wird durch die soziale Ungleichheit verursacht, die verhindert, dass die Stadt zu einem kollektiven Organismus wird. Der Pixo ist nicht gewalttätig, sondern die Mauer, die die Ungleichheit vertieft. Das Gesetz, das allen dienen sollte, dient nur den Eigeninteressen der wohlhabenden Minderheit. Auf diese Weise gibt es meiner Meinung nach keine Möglichkeit einer echten Demokratie für alle.
Deshalb ist Pixação ein symbolischer Guerillakrieg, der die selektive Taubheit der Reichen anprangert. Wütende Zärtlichkeit, Geister-Taggen, einsame Seelen in den dunklen Gassen der Stadt. Eine chaotische Ästhetik gegen die etablierte Ordnung, gegen die Gentrifizierung und die Vernichtung des einst öffentlichen Raumes.
‚Pixo‘ ist das Potenzial der Marginalisierten, eine Reihe von Alltagstaktiken im heroischen Vorstellungsbild der Peripherie. Deshalb werden wir weiter ‚Pixo‘ sprühen, damit unser Leben nicht unbemerkt bleibt. Wenn sie versuchen, uns zum Schweigen zu bringen, lasst uns sprühen, denn Pixação ist immer noch der stumme Schrei der Peripherie und wird es immer sein.“
Cripta Djan – Círculo Forte (SP) Brasilien, Februar 2018.